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Interview mit Linda (KvU)

Was macht ihr in eurem Projekt? Welche Formen von Diskriminierung und Gewalt spielen für eure Arbeit eine Rolle?

Wir sind ein generationenübergreifender Jugendclub. Jeder darf mitgestalten, der Fokus liegt auf junge Menschen. Die KvU ist einAusprobier-Raum. Jungen Menschen wird die Möglichkeit gegeben, sich niedrigschwellig auszuprobieren. z.B. Konzerte veranstalten, Tontechnik zu erlernen, Theater oder Videodreh umzusetzen, Arbeitsgruppen zu initiieren, Themenabende zu gestalten etc.

In der KvU gibt es zudem die Möglichkeit, einen Proberaum zu nutzen, Tischtennis und Kicker zu spielen, Sportangebote wahrzunehmen, die(Fahrrad)- Werkstatt zu benutzen und Dienste bei Konzerten zu übernehmen. Seit zwei Jahren bieten wir außerdem an zwei Tagen in der Wochen ein Wohnungslosencafé an. Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen, entweder im Rahmenunseres Orga - Plenums oder auch in den Arbeitsgruppen, welche sich auf Themen spezialisieren und offen für alle Interessierten sind

War die KvU vor einigen Jahren vor allem noch ein Ort für Cis-Männerzwischen 30-65 Jahren (der Anteil von Personen mit psychischen Erkrankungen und/ oder Suchterkrankungen war relativ hoch). Die Zusammensetzung hat sich mittlerweile verändert. Aktuell gestalten zudem auch wohnungslose Menschen, Menschen von 14- 65 Jahren, geflüchtete Menschen aus der Unterkunft in der Nähe der KvU und vor allem mehr Flinta*-Personen die KvU mit. Aktuell nutzen auch eine Gruppe Exil-Iraner:innen die KvU um Demos vorzubereiten.

Im Großen und Ganzen ist es ein schönes Miteinander. Lediglich einzelne ältere Personen verhalten sich skeptisch bis abwehrend gegenüber jungen Menschen, welche neue Ideen einbringen wollen. Vor allem als die KvU noch nicht so divers war, kam es häufig zu verbale Gewalt. Einzelnen Personen wurden zudem auch körperlich gewalttätig. Auch emotionale Manipulation war mitunter Thema. Alle genannten Formen von Gewalt konnte in den letzten Jahren durch Maßnahmen (hier in der KvU) abgebaut werden. Hin und wieder überschreiten einzelne Personen Grenzen anderer durch verbale Gewalt.

Welche Funktion nimmst du in deinem Projekt ein? Worin liegt dein persönlicher Schwerpunkt? Hast du schon selbst Erfahrungen mit langfristiger Betroffenenunterstützung oder transformativen Prozessen gemacht?

Ich bin hauptamtlich als Sozialarbeiterin tätig. Meine Aufgabe ist es bei Konflikten zu vermitteln und/ oder Ideen zu entwickeln, mit diesen gemeinsam umzugehen. Die meiste Zeit verbringe ich mit Kommunikation. Die Gruppendynamik und die Umsetzung der Ziele der KvU (Offenheit, Basisdemokratie umsetzen, Fokus auf junge Menschen) sind die Schwerpunkte meiner Arbeit. Darüber hinaus arbeite ich auch mit einzelnen Personen (Themen: psychische Erkrankung, Schulden, Liebeskummer, etc.)

Seit zwei Jahren arbeiten wir in der KvU bei Konflikten mit dem Konzept der Transformativen Gerechtigkeit.

Was für Bildungsformate bietet ihr an? Wer ist das Publikum? Wie würdest du den Impact eurer Arbeit beschreiben? Gibt es bei euch auch langfristige Formate?

Mitunter finden in der KvU politische Abende statt z.B. zum Thema Protest, Klima, Hierarchieabbau, toxische Männlichkeit etc. Dies findet dann statt, wenn ein Mensch Interesse an ein Thema hat und dies organisiert. Das Publikum ist sehr unterschiedlich, die Anzahl der Teilnehmer ist bislang relativ gering (5-15 Teilnehmer pro Abend).

Die KvU ist aktuell in einer Art Transformation. Neue Personen kommen und haben Lust, mitzugestalten uns sich auszuprobieren. Und ihnen wird diese Möglichkeit gegeben. Dies bedeutet erst mal, dass die KvU weiterlebt. (Vor einigen Jahren stagnierte viel, Menschen, die zwar täglich in der KvU waren, hatten keine Energie aktiv mitzugestalten, machten es aber - mitunter - neuen Personen schwer, teilzunehmen, Stichwort: Platzhirschverhalten).

Wie unterstützt ihr Gruppen, selbstständig Betroffenenunsterstützung bzw. Transformative Arbeit zu leisten? Was seht ihr als Teil eurer Arbeit? Wo grenzt ihr euch ab?

Wir bearbeiten lediglich interne Konflikte.

Wie sieht die konkrete Tätigkeit bei euch aus? Wie viele Personen sind beteiligt? Wie lange dauern Prozesse bei euch? Was hindert, verlangsamt und blockiert Prozesse? Wann ist er für euch beendet?

bislang waren 4-6 Personen beteiligt. Es ist uns wichtig, dass sich Menschen dafür melden, welche die Zeit und Energie haben und selbst emotional stabil sind. Die Prozesse waren dann kurz, wenn ersichtlich wurde, dass die gewaltausübende Person kein echtes Interesse hatte, sich tiefer auseinander zu setzten.

In einem Fall hatte eine Person 3 Jahre Hausverbot erhalten. In dieser Zeit gab es fortwährend gemeinsame Gespräche. Nach 3 Jahren konnte die Person wieder integriert werden.

Wir sehen uns selbst nicht als Profis der Transformativen Gerechtigkeit, wollen aber weiterhin damit arbeiten und Erfahrungen sammeln.

Im Grunde bislang gut. Hausverbote sollen für uns das letzte Mittel sein. Zugleich ist es uns aber wichtig, dass wirklich miteinander am Thema gearbeitet. Vor einigen Jahren reichte oft ein einfaches Lippenbekenntnis, oft hat sich das unerwünschte Verhalten nach kurzer Zeit aber bereits wieder gezeigt. Einige Personen waren dadurch so frustriert, dass sie nicht mehr am KvU - Leben teilnehmen wollten. Die betroffenen Personen haben bislang die Rückmeldung gegeben, dass sie sich ernst genommen fühlen.

Wie geht ihr mit den bei euch vorhandenen Kapazitäten um? Was sind maßgebliche Schwierigkeiten, was ermüdet dich?

Da ein relativ großer Teil der "KvUler" mit eigenen Problemen zu kämpfen hat (hier vor allem psychische Erkrankungen) waren es lange Zeit immer die gleichen Personen, die sich bereit erklärten, aktiv mit zu arbeiten. Aktuell haben wir keinen Fall. Durch den Zugewinn von neuen Menschen(welche Energie mitbringen) habe ich die Hoffnung, dass sich in Zukunft auch diese Personen bereit erklären, an der TG mit zu arbeiten.

Ich mache es allgemein: Es ermüdete mich lange Zeit, dass neuen Personen mit zu wenig Offenheit begegnet wurde. Ich denke, dass die Angst, seine eigene Position oder sein "Wohnzimmer" zu verlieren, bei vielen eine große Rolle gespielt hat. Vielleicht auch gerade dann, wenn diese Personen gemerkt haben, dass die neuen Personen Energie und Ideen mitbringen. Personen, die nicht aktiv sein wollen oder können, dürfen dennoch "da sein" und werden so gut wie möglich einbezogen. Es hat lange gebraucht, bis diese Personen verstanden haben, dass ihnen nichts weg genommen wird auch dann, wenn sich einiges verändert. Ein paar einzelne Personen sind auch gegangen bzw. wollen nicht mehr kommen (z.B. weil sie es auch nacheinigen Gesprächen nicht akzeptieren konnten, dass es einmal im Monat einen Flinta*-Abend in der KvU geben sollte)Seitdem geht es aufwärts und mir macht meine Arbeit auch wieder Freude.

Wie würdest du die Zukunftsperspektive auf eure Arbeit beschreiben? Welche Faktoren bremsen eure Arbeit aus? Was wäre gesellschaftlich notwendig um eure Arbeit überflüssig werden zu lassen?

Ich freue mich darüber, dass aktuell einige neue Menschen in die KvU kommen und neue Ideen und Energie mit bringen. Mal schauen, was da noch so kommt :)Wir wollen verstärkt in Arbeitsgruppen arbeiten und Themen auslagern, welche die Vollversammlung in der Vergangenheit überstrapaziert haben(ein Teil der Teilnehmer war mit der Vollversammlung überfordert und wollte gar nicht mehr teilnehmen oder hat schnell gereizt reagiert).Durch die Arbeitsgruppen sind wir auch wieder entscheidungsfähiger geworden. Dort nehmen all die Personen teil, welche sich mit dem jeweiligen Thema auseinandersetzen können/wollen. Unsere Social-Media Präsenz (überhaupt Öffentlichkeitsarbeit) wird verändert/ verbessert :)

Noch mehr unterschiedliche Gruppen und Angebote in der KvU. Das Orga -Plenum (vorher Vollversammlung) ist der Ort, an dem alle Personen und Gruppen miteinander in Kontakt sind oder in Kontakt kommen. Mitunterentstehen Synergieeffekte. Trotz der unterschiedlichen Bedürfnisse und Motivationen entsteht dennoch ein gewissen Wir-Gefühl (Wunsch)

Wir (die KvU) haben uns lange selbst blockiert, indem keine Maßnahmen oder Veränderungen angegangen wurden. Gründe: Platzhirschverhalten, Angst vor/keinen Bock auf Veränderung, Angst vor (gewalttätigen)Reaktionen, wenn Unangenehmes ausgesprochen wird, Intoleranz. Wir haben seit über drei Jahren lediglich einen stillschweigenden Miet-Vertrag (da wir unserem Vermieter weiterhin die Miete überweisen).Es ist ungewiss ob und wann uns unser Vermieter los werden möchte. Dies bremst zwar unsere aktuelle Arbeit nicht aus, es könnte jedoch auch schnell vorbei sein.

Mehr Räume, in denen unkommerziell gestaltet/ ausprobiert werden kann. Dies ist leider oft ohne staatliche Förderung kaum möglich. Basisdemokratischer Ansatz in anderen Kontexten. Der niedrigschwellige Zugang zu Sozialarbeiter:innen ist in der KvU sehr besonders (hier als Alternative sehe ich höchstens die Streetwork).Einige der Personen, die hier von den Sozialarbeiter:innen Unterstützung angenommen haben, hätten sonst kein Beratungsangebot aufgesucht. Dadurch das in der KvU zwei hauptamtliche Sozialarbeiterinnen angestellt sind, gibt es zwei Personen, die an den verschiedenen Themen fortlaufenddran bleiben können und Gruppenprozesse langfristig begleiten. Die Menschen, die sonst in der KvU teilnehmen, haben dafür zu wenig Kapazitäten. Zudem wird sich dadurch um die Buchhaltung gekümmert :)

Autor:in

ali

Lesezeit

5 min

Datum

October 11, 2023

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