< zurück

Rückblick Across Awareness 2022

Rückblick auf die Fachtage Across Awareness 1&2 die im Oktober 2022 in Leipzig stattgefunden haben

Auch wenn er mittlerweile schon über 2 Monate her ist, wollten wir die Fachtage Across Awareness 1 & 2 noch einmal Revue passieren lassen und einige Eindrücke mit euch teilen.

Am Freitag ging es um Sachsen und die Herausforderungen von Awarenessarbeit in diesem Bundesland. Und obwohl wir davon ausgingen, dass die meisten von euch erst am nächsten Tag anreisen würden, war auch schon an diesem Tag ein reges Interesse zu spüren. Insbesondere im gut gefüllten Kinosaal vom Cineding wurde das deutlich. Für mich war das erste Podium zur „Awarenesspraxis in Sachsen“ schon ein Highlight. Obwohl ich schon länger im Awarenessbereich aktiv bin, beschränken sich meine praktischen Erfahrungen bisher im Wesentlichen auf Leipziger Läden & Clubs, insbesondere auf Veranstaltungen eines sich selbst irgendwo zwischen links und alternativ verstehenden Klientels.

Deshalb war es für mich umso spannender diese Erfahrungswelt mit anderen abgleichen zu können: Auf meiner „nice to do“ Liste (die Andere heißt nur „to do“) stehen jetzt auf jeden Fall Tekks im Wald im Dresdner Umland und mehr Ausflüge zu queeren Veranstaltungen im ländlichen Raum. Gleichzeitig muss ich mein Bild von Berlin als der pulsierenden Metropole der Progressivität wohl auch ein bisschen revidieren: Zumindest im Hinblick auf Awareness soll Berlin anscheinend auch nicht das perfekte Vorbild sein. Im Grunde genommen überall viel zu tun, das war schon klar, aber was genau und wo welche Probleme liegen, das wurde mir etwas klarer. 

Im Anschluss gab es die Performance von Hana Hazem. Das Stück wurde extra für unsere Veranstaltung geschrieben und obwohl ich es schon bei der Generalprobe, die am gleichen Tag stattfand, sehen konnte, bin ich nochmal geblieben. Und ich war wieder fasziniert. Ich glaube insbesondere die eigene Verletzlichkeit, das Ringen mit sich und im Spannungsfeld mit einer Umwelt die immer wieder so unterdrückend wirkt, hat mich berührt. Leider blieb dann zwischen Orga, Abbau und Premierendrink gar nicht mehr so die Zeit weiter ins Thema einzutauchen, zu sehr waren meine Gedanken schon versunken in den Programmpunkten und organisatorischen Herausforderungen des nächsten Tags.

Mit Across Awareness 2 ging es dann nämlich weiter. Doch leider nicht für alle. Manche wurden von einer ersten Welle frühherbstlicher Infektionskrankheiten abgehalten; Anderen wurde durch die Sabotage des Schienennetzes ein Strich durch die Reiseplanung gemacht.

Schon echt ärgerlich. Ausgerechnet zum Fachtag. Gleichzeitig habe ich mir sagen lassen, dass dadurch auch weniger Leute zur Nazidemo nach Berlin fuhren. Für mich knappe 3 von 5  gefühlten Trostpflastern.

Nichtsdestotrotz war der Samstag auch gut besucht und neben dem Wiedersehen einiger bekannter Gesichter habe ich mich gefreut auch mit zunächst Unbekannten einige kurze aber anregende Gespräche führen zu können. Insgesamt war ich am zweiten Tag eher wenig da, weil mich einige Hintergrundorgasachen ganz schön eingespannt haben.

Aber ich habe mit Flo gesprochen und während they am Freitag mit der Abschlussorga der Podien, der Abendmoderation und all dem Drumherum richtig viel zu tun hatte gab es für Flo Samstag die Gelegenheit, auch selbst Inhalte mitzunehmen. Auch mal gut, wir wollen (und müssen!) ja auch noch viel lernen.

Als Veranstalter*innen haben wir dann aber doch erstmal das Wort ergriffen. Es wäre ein etwas weirder Move gewesen, sich auf der eigenen Veranstaltung aufs Podium zu setzen und trotzdem haben wir ja auch inhaltlich was zu sagen. Alex und Pauline sind auf ein paar Aspekte eingegangen, die für uns gerade sehr relevant sind:

  • Awareness nicht nur als Trend zu sehen sondern als langfristig anhaltende und nachhaltige Veränderung von Strukturen, die auch eine Geschichte haben. Vielmehr mehrere Geschichten. Geschichten harter, intensiver Arbeit, radikalen Kämpfen und zähen Auseinandersetzungen
  • der Mangel an Intersektionalität und Betroffenenzentrierung in vielen neueren Awarenesskonzepten, der sich auch in den aktuellen Bemühungen um gemeinsame Mindeststandards ausdrückt.
  • Wertschätzung, Selfcare und kollektive Verantwortungsübernahme als das „Herzstück“ von Awareness

Nach dieser Einleitung die sich mit allgemeinen und aktuellen Themen beschäftigte, ging es los mit „Safer Spaces“. Dabei spielte Lotte Hiller eine zentrale Rolle: Zuerst sensibilisierte sie uns für die Problematik des Begriffs, die Subjektivität des „Sicherheits“- Gefühls um dann, direkt im Anschluss mit Noah Anderson und Niis Warsame auf dem Podium zu sitzen.

Da wurde dann weiter darüber diskutiert, was Safer Spaces eigentlich sind, warum und wie wir sie  anstreben und welche Herausforderungen damit verbunden sind.

  • Wir können sie als Utopien verstehen und als Zielrichtung verwenden. Dann müssen wir uns die Frage stellen: Wie stellen wir ein Sicherheitsgefühl oder mindestens ein Willkommen an alle her? Und wer sind überhaupt alle?
  • Oder wir nähern uns Safer Spaces mit mehr Realismus an. Das bedeutet ihre Bedeutung, aber auch Bedürfnisse und Leerstellen genauer zu beachten und zu bedenken.
  • Wenn wir dann also von Safer Spaces reden, beziehen wir uns meist explizit oder implizit auf bestimmte Communities, safer cultural spaces, die nicht nur die Bedingung erfüllen sollen, dass alle dort „sicher“ sein können, sondern auch alle sicher sie selbst sein können. Solche „exklusiveren“ safer spaces können Empowerment schaffen.
  • Ein Safer Space lebt in diesem Sinne auch vom Ausschluss, da er sonst keine Sicherheit schaffen kann.
  • Wenn wir das exklusivere, realistischere Bild von Safer Spaces anwenden, können wir uns dem widmen, wie wir mittel- & langfristig Zwischenräume schaffen können, die Brücken schlagen zwischen verschiedenen safer spaces.

Vor dem Start des zweiten Podiums präsentierte Allia E. Sadeghipour ihren Film „Club Awareness and Safety Educational Video“. Eine sehr unterhaltsamer Teil des Tages. Ihr könnt ihn euch auch nochmal anschauen:

Daraus entstanden ist auch die Consent Gallery, die findet ihr wiederum auf der Plattform. Während des Fachtags war die Gallery im Theaterfoyer ausgestellt. Eigentlich war der Plan ja auch, dass sich dort mehrere Projekte auf Stellwänden vorstellen und wir eine Art Projektemesse machen aber außer den Drugscouts wurde auf das Angebot wenig eingegangen. Vielleicht war das letztendlich ein bisschen viel gewollt für einen Tag, auch wenn ich die Idee immernoch voll spannend finde.

Am Abend gab es dann das Abschlusspodium zum Thema Nachhaltigkeit, genauer gesagt ging es wieder ein bisschen darum, inwiefern Awareness ein Eigen-Label oder Szene-Trend ist oder inwiefern Sachen wirklich langfristig verändert und verantwortlich umgesetzt werden.

Wichtig dabei sind natürlich nicht nur die einzelnen Personen in Awareness Teams, sondern auch die Veränderung der Haltung des ganzen Ladens. Also sowohl die der Veranstalter*innen, die sowieso irgendwie im Boot sein müssen, als auch die der Besuchenden. Dahingehend gab es dann auch sehr unterschiedliche Erfahrungsberichte: Von Szene-Orten, wo das mit dem kollektivem Verantwortungsbewusstsein schon ganz gut klappt und Gäste auch auf Gäste zugehen, aber eben auch von Locations, bei denen es nach wie vor ein harter Struggle ist, überhaupt das gesamte Team hinter sich zu bekommen.

Daran anknüpfend hat sich dann auch eine altbekannte Strategiefrage neu gestellt: Wollen wir dort mehr Energie reinstecken, wo Sachen schon halbwegs laufen, um dort die Nachhaltigkeit zu fördern, Safer Spaces zu sichern und aus ihnen heraus zu wirken? Oder ist es besser dort, wo mehr schief läuft und sich die erwünschte Veränderung nicht so recht einstellen will unermüdlich weiter zu arbeiten?

Auch im anschließendem Podiumsgespräch kamen einige spannende Themen auf; es ging um Wege und Zugänge zu safer spaces, die Intersektionalität von Awareness-Arbeit und unserer Perspektiven generell, Tokenisierung von Personen aufgrund ihrer Diskriminierungserfahrungen und um das Problem der schlechten Verteilung der Ressourcen und ihrer Ballung auf einige Städte. Insgesamt wieder super spannend  aber viel zu viel um es hier treffend darzustellen. Wir haben die ganzen Podien auch mitgeschnitten, basteln daraus ein paar feine Podcasts und lassen es alle unsere Newsletterabonnent*innen wissen ;)

Achja, und dann waren da ja auch noch sieben Workshops und zwei Empowerment Spaces, davon haben aber sowohl Flo als auch ich nicht besonders viel mitgeschnitten. Zum Glück gibt es wenigstens die Dokumentation.

Insgesamt sollen sie wohl gut gewesen sein. Wir haben auf jeden Fall sehr viel positives Feedback bekommen und sind unseren Referent*innen sehr dankbar! Zusammen mit den Podien war es für einige etwas zu viel Input, für andere hat ein voll gepacktes Programm gut gepasst. Für mich sehr nachvollziehbar,es war wirklich ein wenig ambitioniert und dennoch bleibt noch so vieles offen über das wir reden müssen. Aber vielleicht ist dafür auch Zeit beim nächsten Fachtag. Grundsätzlich mehr Raum zu lassen für Vernetzung und Austausch und auch um Infos etwas verdauen zu können nehmen wir uns dafür mit.

Autor:in

Toschka

Lesezeit

15min

Datum

December 22, 2022

Link

Link

Mehr Infos