Menschen aus Sachsen, die (Mehrfach-)Diskriminierung erfahren müssen, teilen ihre Sicht auf das Nachtleben hier in literarischen Beiträgen und Erfahrungsberichten.
Seit fünf Tagen liege ich mit einer Mandelentzündung im Bett.
Es nervt, es tut weh, ich bemitleide mich (ein wenig) selbst. Und seit Tag eins, sind da Menschen, die sich verantwortlich fühlen.
I. erinnert mich daran, als ich am Telefon über meine anfänglichen Symptome meckere und erkläre das, dass mir gerade gar nicht reinpasse, dass mein Körper keine Maschine ist und es verdient krank sein zu dürfen. M. geht für mich einkaufen. L. kocht mir Gemüsesuppe und sagt mir, dass sie heute mehr als das nicht schafft. Sie streichelt meine Hände und hinterlässt mir Notizen auf dem Küchentisch. K. kommt vorbei und bricht zusammen, viele Tage hintereinander, kuschelt sich an mich und ihre Tränen verschmelzen mit meinem Fieberschweiß. I. und L. rufen jeden Tag an, um einzuchecken wie es mir geht und nehmen mein Gejammer liebevoll entgegen. I.,L.,M.,P.,K.,F.,L.,O. und einige mehr. Ein Alphabet an geliebten Menschen, die sich sorgen, sobald ich Unterstützung brauche. Die ein Netz knüpfen, so sorgfältig, das ich darauf vertraue nicht hindurch zufallen. Sie tun dies, unter anderem, weil sie mich ernst nehmen und meine Schmerzen einordnen können - sie identifizieren sich emphatisch mit mir.
Verbindung, bedeutet für uns Verantwortung füreinander zu übernehmen.
Ich denke über Schmerz nach, den, den wir gesellschaftlich und auch persönlich ernst nehmen und der, der erstickt wird, angezweifelt wird, debattierbar erscheint.
Manche Verletzungen sollen immer und immer wieder erklärt werden. Sie werden seziert und ausgestellt, wie eine unerforschte, sonderbare Vogelart.
Sie werden identifiziert, aber nicht auf die Weise wie sich meine Bezugspersonen mit mir identifizieren. Eher wie ein Schmetterling, der präpariert wird; abgetötet, mit Nadeln und Kleber befestigt. Die Gattung und der Fundort werden auf einem Etikett festgehalten. Wir fühlen uns nicht verantwortlich, ziehen keine Verbindung zwischen uns und dem Insekt. Da ist höchstens etwas voyeuristische Neugier oder ein abwinkendes Unverständnis. Ein paar Insekten begleiten mich Tag täglich, wenn ich aus meiner Tür gehe. Je nach Kontext schillern sie mehr oder weniger.
post-migrant(ish), (relativ) arm aufgewachsen, trans, verrückt..
Meine Körperbehaarung, gelblichen Hautuntertöne und meine Sehnsucht, mein ökonomischer Hintergrund, Meine Geschlechts-Identität, mein psychischer Status… Sie sind meine gesellschaftlichen Wunden-Punkte. Es sind all die Teile, die dominanzgesellschaftlich als “anders” markiert und verurteilt werden. Markierungen bedeuten für viele Menschen Unsicherheit und Gewalt.
Wir (über-)leben in einem geschichtlich gewachsenen Netz aus kolonialen, kapitalistischen, binären, heteropatriachalen Fäden (um nur ein paar zu nennen). Doch die meisten von uns fallen hindurch. Dieses Netz ist nicht für uns geknüpft. Trotzdem prägt es uns und zieht die Strippen. Es ist wichtig, dass wir uns darüber klar werden, welche diskriminierenden Handlungen wir reproduzieren, um zu lernen, dafür Verantwortung zu übernehmen. Diese individualisierten Ansätze ändern aber wenig an der reellen, materiellen Situation marginalisierter Gruppen.
Einzelne Personen „profitieren“ davon. Sie werden wie die Schmetterlinge in Glaskästen präsentiert. Das Etikett „Täter“ wird Exempeln für diskriminierendes Verhalten umgebunden. Jetzt können wir uns klar von ihnen abgrenzen. Das Netz, das diese Gewalt nährt, bleibt unsichtbar. Wir alle sind Betroffene. Wir üben alle unwissentlich oder absichtlich Gewalt aus.
Diese Gleichzeitigkeit lässt sich schwer auf einem Etikett festhalten.
Wenn wir diskriminierungs sensibel werden wollen, müssen wir auch das Netz sezieren, welchem diese Gewalt entspringt.
Ein neues Netz muss her!
Gewoben aus den Erfahrungen derer, die, materielle, physische, psychische - mehrsektionale Gewalt erfahren und erfahren haben. Nur dann können wir davon ausgehen, dass es alle hält. Für eine kollektive Verantwortungsübername braucht es, dass wir uns kollektiv neu in Verbindung setzen und Ressourcen umverteilen. Sich dafür zu entscheiden, bedroht alles, was das alte Netz zusammenhält. Es bricht Vorstellungen von Individualismus, weil wir uns miteinander in Beziehung setzen.
Wirkliche Fürsorge funktioniert nicht in Gegenwart von individuellem Kapital, Geiz, Strafen und Abgrenzung.
Name: transitplace
Über mich: queeres trans* Wesen mit Snack-Expertise.
Ich übe mich darin zu scheitern und mir ein wenig Leichtigkeit zu bewahren.
Mich findet 1 am Sparren oder am Kuscheln.
Mein*e Lieblingsartist*in: Die ganzen Überlebenskünstler*innen um mich herum
Ich geh niemals feiern ohne: Meine Wasserflasche + Social Anxiety
Eine gelungende Nacht ist für mich: Meistens 8h Schlaf. Manchmal mit den Liebsten verschwitzt auf der Tanzfläche, an einem Ort mit Awareness Konzept, Snacks und sensiblen Menschen.
Meine Lieblingslocation oder Veranstaltung in Sachsen: Die Bubble Bar (Grüße gehen raus)